Social Freezing – Karina Schönberger über ihre Entscheidung, 15 ihrer Eizellen einfrieren zu lassen

Karina Schönberger dachte immer, sie würde früh Mutter werden. Die heutige Agenturinhaberin hatte damals so an 25 gedacht. Aber wie es nun mal ist, kommt immer alles anders. Beruf und Privatleben lenkten alles in eine etwas andere Richtung, weshalb Karina sich 2015 im Alter von 26 Jahren dafür entschied, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Um Frauen eine Plattform zu bieten, sich über dieses Thema auszutauschen, hat sie mit Seracell die Website Social-Freezing.de gegründet. Wir haben Karina einige Fragen gestellt:

Liebe Karina, woher kam der finale Entschluss, Deine Eizellen einfrieren zu lassen?

Den finalen Entschluss gab mir ein Bauchgefühl. Eine tiefe, innere Gewissheit, die mich wissen ließ: vor mindestens 30 wirst du wohl nicht mehr Mutter. Das war keinesfalls ein trauriges Gefühl, sondern eine reine Tatsache. Ich hatte damals keinen festen Partner und war sowohl beruflich, als auch privat so eingespannt, dass ich nicht den geringsten Kinderwunsch hatte. Dennoch sehe ich Kinder, wenn ich in meine Zukunft schaue. Ich liebe Kinder und finde, dass sie etwas Wunderbares sind. Diesen Wunsch will ich mir für die Zukunft nicht „versagen“ nur weil es aufgrund meiner Lebensumstände nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt klappt. Deshalb informierte ich mich über Social Freezing und ließ mir 15 Eizellen entnehmen und in Rostock einfrieren. Dort liegen sie heute immer noch und warten darauf, aufgetaut zu werden – irgendwann.

Mit welchen negativen Kritiken wurdest du beim Thema Social Freezing konfrontiert und wie ist Deine Haltung?

Im engeren Kreis von Freunden und Familie wurde ich mit keinerlei Kritik konfrontiert. Natürlich habe ich die Idee mit allen besprochen und sie waren ausnahmslos dafür. Da ich dem Thema schon immer sehr offen gegenüber stand und nun auch mit Social-Freezing.de in der Öffentlichkeit stehe, entsteht für viele Menschen eine Bühne, um Kritik zu äußern (was ich übrigens immer sehr befürworte, darum geht es ja bei einer Diskussion). Die größte Sorge kommt aus der moralischen und ethischen Ecke. Die Menschen fragen sich: Was wird passieren, wenn irgendwann alle mit 50/60/70 Mutter werden? Was wird dann nur aus unserer Gesellschaft? Das ist eine berechtigte Überlegung, meiner Meinung nach allerdings Schwarzmalerei. Nur weil Social Freezing angeboten wird, wird es weiterhin Frauen geben, die gern jung Mutter werden.

Screenshot der Seite Social-Freezing.de

Screenshot der Seite Social-Freezing.de

Facebook und Apple zahlen ihren Mitarbeiterinnen das Eizellen-Einfrieren. Wie ist Deine Meinung dazu?

Diese Frage wurde bereits in den Medien viel diskutiert und meiner Meinung nach aus einer vollkommen falschen und verzerrten Sicht angegangen. Statt die Unternehmen, die das anbieten, als kapitalistische Ausbeuter anzusehen, hätte man die Sache rundum beleuchten müssen. Dann wäre man schnell dazu gekommen, dass das Social Freezing zu einem weitreichenden Portfolio gehört, die die Unternehmen ihren Mitarbeitern anbieten. Dazu gehören auch Leistungen wie ein Betriebskindergarten, die Finanzierung einer künstlichen Befruchtung bei bestehendem Kinderwunsch und vielen anderen tollen Leistungen. Dazu kommt, dass das Gesundheitssystem in den USA anders funktioniert und Arbeitgeber daher für Dinge aufkommen, die die Krankenkassen nicht leisten. All diese Argumente wurden außer Acht gelassen, um eine einseitige Berichterstattung zu produzieren. Das fand ich sehr schade. Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, mir das Social Freezing von einem Unternehmen bezahlen zu lassen, hätte ich es definitiv in Anspruch genommen. Wenn ich mich in meinem Freundeskreis umsehe, fallen mit direkt 3 Frauen ein, die das ebenfalls tun würden.

Gibt es für Dich persönlich eine Altersgrenze um Mutter zu werden?

Ja, die gibt es und die liegt bei ungefähr 42 Jahren. Wenn es bis dahin nicht geklappt hat, dann würde ich sicher auch ohne Kinder ein glückliches Leben führen. Interessanterweise gibt es für alle Frauen, mit denen ich bereits gesprochen habe, die das Social Freezing gemacht haben, diese Altersgrenze. Das widerspricht natürlich dem gesellschaftlichen Feindbild der 70-jährigen Mutter. Aber hier haben wir auch schon das so skurrile Paradoxon: Die Gesellschaft malt ein Bild einer egoistischen Frau, die in erster Linie an sich denkt und dann „irgendwann“ gern mal Kinder hätte, frei nach dem Prinzip: Ich will halt alles haben im Leben. Die Realität sieht anders aus: Frauen, die das Social Freezing nutzen, entscheiden sich in erster Linie nicht aufgrund des Jobs dazu, sondern weil ihnen der richtige Partner fehlt oder sie einfach keinen Kinderwunsch verspüren. Das belegen auch Befragungen und neuere Studien. Die Entscheidung für Social Freezing ist damit immer eine Entscheidung für Kinder und nie gegen sie. Ich würde mich freuen, wenn das langsam mehr in der Gesellschaft ankommt und zu diesen Frauen aufgeschaut wird statt sie als selbstsüchtige Monster abzustempeln.

Wie lief Dein Besuch in der Klinik zur Eizellen-Entnahme ab und wo liegen die Kosten?

Es gibt ein Beratungsgespräch in einer Kinderwunsch-Klinik, hier werden einige Tests zur Fruchtbarkeit gemacht. Im Anschluss beginnt die ca. 10-tägige Hormonstimulation und sobald man genug Eizellen produziert hat, werden diese entnommen. Meine persönlichen Erfahrungen im Detail kann man hier nachlesen. Alles in allem war es ein unkomplizierter Eingriff, von dem ich vorab viel zu viel Angst hatte. Es gab keine Komplikationen und ich konnte sofort nach Hause. Die Kosten für Beratungsgespräche, Stimulationen, Untersuchungen und die Hormone bzw. Medikamente liegen insgesamt bei ca. 3.000 € – 4.000 €, variieren jedoch je nach Medikamentenverbrauch (manche Frauen brauchen beispielsweise für die Stimulation weniger Hormone als andere). Wenn man seine Eizellen nutzen möchte, kommen später noch die Kosten für eine Kinderwunsch-Behandlung in Höhe von ca. 2.000 € hinzu.

Was werden wir in der Zukunft von Social-Freezing.de sehen?

Momentan melden sich bei mir viele Frauen, die Social Freezing aus den unterschiedlichsten Gründen in Anspruch nehmen. Ich telefoniere/schreibe/treffe mich gerade mit vielen Frauen und versuche alle Perspektiven des Themas aufzugreifen und zu zeigen – natürlich nur, wenn die Frauen damit einverstanden sind. Mein Ziel ist es, irgendwann viele weitere Frauen auf Social-Freezing vorzustellen, die ihre Geschichte erzählen – um zu zeigen, wie vielseitig das Thema ist und um ein Tabu zu brechen.

Vielen Dank an Karina Schönberger für das Interview!

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