Die Geister, die ich rief – das Recht auf Home-Office ist im Anmarsch

Ich habe aufgehört zu zählen. Was? Die Wochen, die ich jetzt schon im Home-Office verbringe. Da mein ursprünglicher Plan war, ab dem 15. März zu Fuß von Bilbao nach Santiago di Compostela zu gehen, habe ich eigentlich seit Anfang Januar praktisch im Home Office verbracht. Sehr arbeitsintensiv und auch sehr strukturiert.

Mit der Corona-Krise änderte sich entsprechend mein Plan. Nicht nur konnte ich mich nicht auf den Jakobsweg begeben, sondern die geplante Auszeit, hat sich in Luft aufgelöst und eigentlich ja auch Gott sei Dank ich habe mehr gearbeitet als zuvor. Die Kampagne, die ich begleitet habe, musste an die aktuelle Situation angepasst werden und es gab viel zu tun!

Statt Bewegung, also weiter Schreibtisch

Ich gestehe die Umstellung im Kopf, von maximaler Bewegung zu absoluter Einschränkung, was das Thema Bewegung angeht, ist mir in den ersten 10 Tagen wirklich nicht leicht gefallen! Ich glaube, ich war in einer Art Schockstarre gefangen! Mein Verlangen mich Anzuziehen und hübsch zu machen, war mit der Gewissheit des zuhause Bleibens nahezu inexistent. Dieser Zustand wich aber schon bald der Devise und jetzt erst richtig. Ich wollte die Eintönigkeit durch Farbe, Freude und Fashion in die Knie zwingen.

Schön für mich und meinen Mann

Fortan stand ich früh am Morgen auf. Ging 10km um die Alster (also die Alsterrunde plus der Weg von unserer Wohnung zur Alster und wieder zurück). Machte mir Gedanken zu meinem Home-Office Styling und fühlte mich damit direkt wieder lebendig. Ich wollte schön sein, für mich und meinen Mann.

Ehrlich gesagt, nach weiteren 10 Tagen stellte sich mir die Frage, ob ich jemals wieder anders leben und arbeiten möchte. Zu schön die Möglichkeit der völlig freien Zeiteinteilung und Selbstbestimmtheit. Da kann auch mal die Waschmaschine zwischendrin geladen werden und, oder die Hühnersuppe auf den Herd gestellt werden.

Ich bin ein kompetitiver Mensch

Wenn mich jemand nach meinen Schwächen fragt, sage ich immer, dass bestimmt eine meiner Schwächen ist, dass ich ein wettbewerbsgetriebener Mensch bin. Jetzt denkt ihr vielleicht, wieso das ist doch eher positiv!?

Ich empfinde es in meinem Fall tatsächlich eher als etwas, was mir manchmal durchaus Dinge verbaut. Schon als kleines Mädchen wollte ich immer die Beste sein. Die Beste im Turnen, die Beste beim Skifahren, die Beste beim Reiten. meine Erklärung dafür ist bestimmt Ehrgeiz, aber warum ist man ehrgeizig!? Ich sage es Euch….weil ich Applaus wie die Luft zum atmen brauche. Applaus kann hier auch im übertragenen Sinn für Lob, Anerkennung und Aufmerksamkeit stehen!

Was macht Carina, wenn niemand da ist, um zu Applaudieren?

Verkümmert sie wie eine welke Blume? Sucht sie nach alternativen Applausmöglichkeiten? Yep das tut sie. Nicht verwelken, oder verkümmern, aber ihr fehlt der Austausch, oder das jemand ihr bestätigt, dass ihre Idee brillant ist. Ihr fehlt die Konfrontation mit ihren Kollegen, Partnern und Mitbewerbern. Was heißt das für die Situation Home-Office? Ihr könnte es bestimmt schon denken…es fällt mir nicht leicht. So schön ich es auch auf der einen Seite finde, aber ich muss mich stets zu Disziplin ermahnen und ich muss nach kreativen Trigger suchen.

Wie habe ich mir ein Home-Office gewünscht und nun bin ich mir nicht mehr sicher!

Als ich im vergangenen Jahr 10-12 Stunden im Normalfall nicht am Schreibtisch saß und nur unterwegs von einem Restaurant zum anderen, den Beach-Club und die Gäste betreut habe, habe ich mir so manches Mal einen ruhigen, stylishen Arbeitsplatz gewünscht. Ich schäme mich fast, dass ich das Home-Office nicht jeden Tag gleich toll finde. Aber ist eben so, dass ich als Kreative von den Impulsen um mich herum lebe und zehre – die Bestätigung durch mein Umfeld darf man auch nicht außer Acht lassen.

Die Tatsache, dass das Recht auf Home Office wohl auch nach der Corona-Krise bestehen bleiben könnte, stimmt mich ambivalent. Nun bin ich wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht angestellt und kann sowieso für mich und meine Bedürfnisse entscheiden, aber wie geht es anderen Frauen damit. Ist es tatsächlich der Segen, der uns alle glücklich macht, die Kreativität und Effizienz fördert? Oder habt auch ihr durchaus die ein, oder andere Herausforderung damit?

Nichts wird mehr sein wie es war

Corona treibt das Thema Digitaliserung mit voller Kraft voran. Unternehmen, Institutionen, Marken und der Handel mussten sich in Windeseile einen schnell praktizierbaren Plan B überlegen, um auch zu Quarantäne-Zeiten weiter agil und präsent zu sein .Ich bin sicher, dass der Abbau an festen Office-Strukturen ein Riesenthema sein wird. Wozu schweineteuere Firmensitze, wenn man die Mitarbeiter von zuhause arbeiten lassen kann. Völliger Wahnsinn wie viele Fixkosten plötzlich konstruktiv diskutiert werden können. Ich könnte endlos schreiben, aber um das Thema auf den Punkt zu bringen möchte ich abschliessend folgendes in den Raum stellen:

Die Wahrheit ist wie so häufig die Mitte

Ist es nicht wie so oft im Leben die Chance ein gesundes Mittelmaß zu finden und damit vielleicht sogar viel mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen. Die, die gerne im Home-Office arbeiten haben endlich eine realistische Chance dieses langfristig zu tun! Diejenigen, die gerne in einem Kollektiv und zwar in einer sichtbaren, spürbaren Gemeinschaft arbeiten wollen, können sich dafür entscheiden. In der Summe werden weniger Arbeitsplätze in den Offices benötigt und vor allem teilen sich Mitarbeiter einen Arbeitsplatz, um die Flächennutzung zu optimieren und Kosten zu minimieren.

Wie ich das für mich zukünftig gestalten werde!? Das weiß ich noch nicht ganz genau, aber ich weiß, für mich muss es zumindest punktuell eine Alternative zum Home Office geben. Nicht nur für den Applaus, sondern auch für die Inspiration!

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